Christmas oder: Reisen schafft Heimat
Immer, wenn es auf Weihnachten zugeht und spätestens, wenn dann mehrmals täglich „Driving home for Christmas” im Radio läuft, kriegen viele von uns Heimweh. Fahren zu ihren Familien nach Hause, suchen Geborgenheit unterm Tannenbaum und auf Weihnachtsmärkten. Das bringt uns zu dem Thema: Was ist eigentlich Heimat?
Annette, was bedeutet Heimat für dich?
Für mich bedeutet der Wald Heimat. Die Eifel. Über 30 Jahre lang war Frankfurt meine Heimat, heute Rheinhessen. Kultur ist Heimat, Bücher sind Heimat. Meine Freunde geben mir Heimat. Katzen sind Heimat. Essen ist Heimat. Meine Sprache ist Heimat. Puh. Ganz schön viele Heimaten! Dabei gibt es grammatikalisch nur eine Heimat.
Seit gut 30 Jahren macht pmv schon Bücher zu regionalen Themen. Welche Erfahrungen hat pmv dabei gemacht?
1996 erschien unser 1. Band der Reihe „… mit Kindern”: „Rheinland-Pfalz mit Kindern”. Doch war es schwierig, weitere Autor:innen für Deutschland zu finden. Wir bekamen damals – der Verlag war zu der Zeit vor allem bekannt für seine außereuropäischen Reiseführer – jede Woche tolle Manuskript-Angebote zu fernen Ländern. Aber Deutschland lag nicht im Trend. Hierzulande Urlaub zu machen, galt als altmodisch oder gar als Armutszeugnis. Auch Autor:innen glaubten diesen Vorurteilen. Heute dagegen ist es schick, mit den Kindern im gemieteten Bauwagen in der Eifel oder im Allgäu zu campen.
Im Peter Meyer Verlag erschienen also Reiseführer zu Zielen weltweit. War es eine bewusste Entscheidung, sich regionalen Themen anzunehmen?
Ich habe das 2007 ganz bewusst so entschieden. Es gab mehrere gute Gründe für diesen Weg. Doch der wichtigste war die Entscheidung für ein Flug-freies Buchprogramm. Denn schon immer waren wir nachhaltig ausgerichtet. So haben wir zum Beispiel stets Recyclingpapier für unsere Bücher genutzt und so lange auf Farbdruck verzichtet, bis das Druckverfahren umweltfreundlicher wurde. Noch Anfang der Nuller-Jahre waren unsere Bücher in s/w gedruckt! Das kann man sich heute bei Reiseführern nicht mehr vorstellen.
Das ist beeindruckend, wie konsequent der Verlag sich der Nachhaltigkeit verpflichtet. Aber ist das wirtschaftlich tragbar?
Ich sehe ein Medienunternehmen, das als Meinungsmacher gilt – und das sind Verlage gemeinhin – in einer gesellschaftlichen Verantwortung. Wir alle werden den Preis für unser bedenkenloses Handeln eines Tages bezahlen. Da sind Flutkatastrophen wie an der Ahr nur Vorboten, in jeder Hinsicht teuer bezahlte.
… und für pmv konkret?
Als Unternehmerin muss ich natürlich auch an das eigene Auskommen denken: 2007 lagen die Mehrkosten für ein öko-bewusstes Drucken pro Auflage bei etwa 6 %, heute eher bei 12 %! Das liegt hauptsächlich an den gestiegenen Papierpreisen. Gutes Recyclingpapier – und wir verwenden nur solches, das mit Blauem Engel zertifiziert ist – ist doppelt so teuer wie vor Corona. Da wir gerade bei den Familienreiseführern die Ladenpreise nicht weiter anheben wollen, müssen wir an anderer Stelle sparen. Und das tun wir u.a. dadurch, dass wir keine aufwändigen Auslandsreisen mehr finanzieren müssen.
So seid ihr von Indien (1984) über Ghana (1992) in den Harz (2006) und nach Rheinhessen (2023) gekommen. Schaffen die Bücher von pmv Identität mit der Heimat?
Gerade die Wanderführer zu Hessen und Rheinhessen (z.B. „Waldwandern Hessen”, „Jakobswege Rheinhessen”) und die mit-Kindern-Bücher vermitteln neben den praktischen Informationen Wissen über die Region. Über tiefgründige Hintergrundinfos und mitreißende Texte führen sie an die Natur, Besonderheiten und Spezialitäten der Region heran. Der deutsche Wald ist prädestiniert, um Identität oder ein Heimatgefühl zu stiften. Denke nur an das hip-gewordene „Waldbaden”.
Wie stehen die Autor:innen zu dem Begriff Heimat?
Die Autor:innen stammen aus den jeweiligen Regionen, die sie beschreiben. Für sie ist die Identifikation mit dem Allgäu oder dem Harz selbstverständlich. So geben sie das Heimatgefühl unterschwellig weiter, indem sie von ihrem „Ländle” schwärmen und nur die schönsten Orte zeigen. Heimat ist eben dort, wo du dich zuhause und verbunden fühlst. In meinem Fall trifft das auf die Eifel, Frankfurt und Rheinhessen gleichzeitig zu!
Dein persönliches Fazit zur Regionalliteratur?
Die Frage zielt ja ein wenig darauf ab, dass Regionalliteratur oft noch als piefig angesehen wird. Dabei haben regionale Freizeitführer oder Kochbücher längst alle Regale erobert! Und für mich persönlich ist die Frage, ob es sich lohnt, eine sinnstiftende Arbeit zu verrichten, ein eindeutiges Ja. Für meine Heimat, das globale Klima und unsere Leser:innen!